Arbeitszeit: Die Anordnung von Überstunden

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Wann hat ein Arbeitnehmer Überstunden zu leisten?

Das Arbeitszeitgesetz

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt die zulässige Höchstarbeitszeit eines Arbeitnehmers. In den meisten Fällen wird Beginn und Ende der Arbeitszeit nach den konkreten betrieblichen Verhältnissen festzulegen sein.

Grundsätzlich sieht das ArbZG eine tägliche Arbeitszeit von maximal 8 Stunden vor. Hiervon kann aber abgewichen werden, wenn dem Arbeitnehmer Erholungszeiten eingeräumt werden: So kann die tägliche Arbeitzeit bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten (26 Wochen) oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Auch Samstage sind Werktage. Der Arbeitgeber kann frei entscheiden, ob er den Ausgleichszeitraum von 6 Kalendermonaten oder 24 Wochen wählt. Die gesetzliche Höchstarbeitszeit beträgt damit 6 × 8 Stunden = 48 Stunden. Dies ist im Jahr für 48 Wochen zulässig (52 Jahreswochen abzüglich 4 Wochen gesetzlicher Urlaub). Dementsprechend ist eine maximale Arbeitszeit von 2304 Stunden zulässig. Die Arbeitszeit kann bis zu 60 Stunden wöchentlich erhöht werden, falls ein Ausgleich innerhalb des gesetzlichen Ausgleichszeitraums so möglich ist, dass die durchschnittliche Arbeitszeit werktäglich 8 Stunden beträgt.

Für wen gilt die gesetzliche Höchstarbeitszeit nicht?

Die gesetzliche Höchstdauer gilt nach § 18 ArbZG nicht für leitende Angestellte, Chefärzte sowie Dienstellen – und Personalleiter im öffentlichen Dienst. Ebenso nicht für die nach § 18 Abs.1 Nr. 3,4, Abs. 3 ArbZG genannten Personengruppen.

Arbeitsbereitschaft

Nach § 7 ArbZG kann in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung in Abweichung von § 3 ArbZG die Arbeitszeit über 10 Stunden werktäglich verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt oder ein anderer Ausgleichszeitraum festgelegt wird.

Arbeitsbereitschaft liegt bei „wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung" vor. Mit Arbeitsbereitschaft ist eine Aufenthaltsbeschränkung verbunden, da der Arbeitnehmer sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und jederzeit bestimmte Tätigkeiten zu erbringen hat.Sowohl im vergütungsrechtlichen als auch im arbeitszeitschutzrechtlichen Sinne wird Arbeitsbereitschaft grundsätzlich als Arbeitszeit angesehen.

 Die Arbeitsbereitschaft stellt jedoch eine mindere Stufe der Arbeitsleistung dar; vom Arbeitnehmer wird eine geringere Stufe der geistigen und körperlichen Leistungsbereitschaft erwartet. Es ist zulässig, eine geringe Vergütung festzulegen als für Vollarbeit.

Anordnung von Überstunden

Der Arbeitgeber benötigt eine rechtliche Grundlage zur Anordnung von Überstunden- was heißt das? Es muss entweder im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung die Anordnung von Überstunden vorgesehen sein. Existiert keine Vereinbarung, so kann der Arbeitnehmer nur zur Abwendung einer Notlage zur Leistung von Mehrarbeit verpflichtet sein (allgemeine Rücksichtnahmepflicht).

Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart, dass „der Beschäftigungsumfang durch den Arbeitgeber aus bedarfsbedingten Gründen befristet aufgestockt werden kann, wird hierdurch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers gem. § 106 Gewerbeordnung geschaffen. Bei der vertraglichen Anordnung durch AGB- Klauseln kann dann immer noch eine eventuell unangemessene Benachteiligung gem. § 307 I BGB geprüft werden. Diese kann besonders bei Regelungen über die Abrufarbeit gegeben sein. Die Anordnung von Mehrarbeit ist zudem mitbestimmungspflichtig- der Betriebsrat muss also beteiligt werden.

Schwerbehinderte Menschen können verlangen, von der Mehrarbeit freigestellt zu werden (siehe zudem Vorschriften des Jugendarbeitsschutzes und des Mutterschutzes) .

Wann leistet ein Arbeitnehmer Überstunden?

Ein Arbeitnehmer ist regelmäßig bis 16.00 Uhr im Büro. Die Weihnachtsfeier des Büros beginnt erst um 18.00 Uhr. Er entscheidet, die 2 Stunden im Büro zu verbringen und diverse Arbeiten zu erledigen. Danach macht er die 2 Stunden gegenüber seinem Arbeitgeber geltend und verlangt die Vergütung. Zu Recht?

Überstunden müssen mit „Wissen und Wollen" des Arbeitgebers erbracht werden. Der Arbeitgeber muss die Anwesenheit des Arbeitnehmers angeordnet, gebilligt oder geduldet haben. Es muss deshalb irgendwie erkennbar werden, dass der Arbeitgeber diese 2 Stunden zwischen 16.00 Uhr und 18.00 Uhr als Mehrarbeit des Arbeitnehmers zumindest duldet.

Erlaubt ein Tarifvertrag dem Arbeitgeber die einseitige Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit, erbringt der Arbeitnehmer bis zu dem vom Arbeitgeber festgesetzten Ausmaß keine Überstunden.

Den Arbeitgeber treffen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten, wenn der Arbeitnehmer über acht Stunden werktäglich arbeitet. Bei Verstößen kann gegen den Arbeitgeber ein Bußgeld bis 15.000 Euro verhängt werden. (Dies gilt gem. § 22 ArbZG auch bei weiteren Verstößen gegen den Arbeitszeitschutz).

Abgeltungsklauseln im Arbeitsvertrag

Enthält der Arbeitsvertrag eine Regelung, wonach alle Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind, werden davon jedenfalls nicht die Überstunden erfasst, die über die nach § 3zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinausgehen.

Außerdem:

Vorformulierte arbeitsvertragliche Klauseln (AGB) zur Dauer der Arbeitszeit unterliegen dem Transparenzgebot. Der Arbeitnehmer muss durch die Klausel Klarheit über den Umfang seiner geschuldeten Arbeitsleistung erlangen. Daran fehlt es bei einer Klausel, nach der „erforderliche Überstunden" mit dem monatlichen Entgelt abgegolten seien.  Eine solche Klausel ist daher unwirksam und die vom Arbeitnehmer über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitszeit nach § 612Abs.1 BGB zu vergüten.

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