Schulungs- und Fortbildungsmöglichkeiten für Betriebsräte

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Entsprechend §§ 37 Abs. 6 und 7 BetrVG

Die regelmäßig Betriebsratwahlen stehen bevor, nur wie geht es danach weiter.. .

Zur effektiven Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigen Betriebsratsmitglieder die entsprechenden Kenntnisse. Es ist in der Rechtssprechung und Literatur anerkannt, dass man Betriebsräte nicht allein auf das Selbststudium oder die Unterrichtung durch andere Betriebsratsmitglieder verweisen kann, um diese Erkenntnisse zu erwerben. (Erfurter Kommentar § 37 BetrVG Randnummer 15) Betriebsräte haben Anspruch auf bezahlte Freistellung zum Besuch von Schulungsveranstaltungen.

Oliver Kranz
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Durch das BetrVerf-Reformgesetz wurden die Abs. 3 bis 7 des § 37 BetrVG neu eingeführt.

§ 37 Absatz 6 und 7 enthalten mit Rücksicht auf die ständig steigenden Anforderungen an die Betriebsratsmitglieder und die damit notwendige Förderung ihrer Qualifikation (vgl. amtliche Begründung, BT-Drucks. VI/1786, S. 40 f.; Bericht 10. Ausschuss, zu BT-Drucks. VI/2729, S. 14) eine eingehende Regelung der Ansprüche von Betriebsratsmitgliedern auf Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen.

Während durch § 37 Abs. 7 BetrVG die gleichmäßige individuelle Schulung und Bildung aller Betriebsratsmitglieder ohne Rücksicht auf deren Wissensstand gewährleistet werden soll, sofern die Schulung allgemein als geeignet anerkannt ist, dient § 37 Abs. 6 BetrVG der gezielten Schulung von Betriebsratsmitgliedern, um für die Arbeit des konkreten Betriebsrats erforderliche Kenntnisse zu vermitteln.

Hierdurch wird anerkannt, dass die Tätigkeit der Betriebsratsmitglieder einer Schulung bedarf, für die sie mit Rücksicht auf die ehrenamtliche Tätigkeit grundsätzlich nicht ihre Freizeit opfern sollen (vgl. LAG Hamm DB 1973, 288).

Der entscheidende Unterschied zwischen Abs. 6 und Abs. 7 ist, dass es sich bei den in Abs. 6 angesprochenen Veranstaltungen um solche handelt, in denen Kenntnisse vermittelt werden, welche für die Betriebsratstätigkeit erforderlich sind. Eine Schulungsveranstaltung ist für die Betriebsratsarbeit dann erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. (Erfurter Kommentar § 37 BetrVG Randnummer 16)

Das heißt, Veranstaltungen im Sinne von § 37 Abs. 7 BetrVG brauchen nur mittelbar etwas mit der Betriebsratstätigkeit zu tun haben. In diesen Veranstaltungen werden Kenntnisse vermittelt, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer konkreten betrieblichen Situation stehen. Die hier vermittelten Kenntnisse müssen für den Betriebsrat jedoch weiterhin förderlich und nützlich sein.

  • § 37 Abs. 6

    Bei einer Schulung nach Absatz 6, welche also nicht nur geeignet sondern auch erforderlich für die Arbeit des Betriebsrates ist, hat der Betriebsrat die Erforderlichkeit der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung aus der Sicht eines vernünftigen Dritten zu beurteilen, wobei dieser vernünftige Dritte die Interessen des Betriebes einerseits und die Interessen des Betriebsrates und der Arbeitnehmerschaft andererseits gegeneinander abzuwägen hat.

    Wie so oft im Arbeitsrecht haben wir es also mit einem unbestimmten Rechtsbegriff zu tun, der den Betriebsrat einen gewissen Beurteilungsspielraum lässt. Dabei kommt es in erster Linie darauf an, ob die Schulung ihrem Inhalt nach, das heißt von ihrer Themenstellung her, geeignet ist, die für eine sachgerechte Durchführung der im konkreten Betrieb anfallenden Betriebsratsaufgaben erforderliche Kenntnisse zu vermitteln. Weiterhin erstreckt sich der Beurteilungsspielraum des Betriebsrates auf die Dauer und die Teilnehmerzahl der jeweiligen Veranstaltung. Für die Beurteilung der Schulungsbedürftigkeit eines einzelnen Betriebsratsmitglieds ist sein konkreter Wissensstand und die Aufgabenverteilung im Betriebsrat zu berücksichtigen.

    Die Zulässigkeit des Schulungsinhalts richtet sich danach, ob Kenntnisse vermittelt werden, die zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats gehören, wobei es sich um

    • Rechtskenntnisse (zum Beispiel aus dem Betriebsverfassungsrecht oder dem allgemeinen Arbeitsrecht)
    • Kenntnisse spezieller Sachmaterien (Leistungsentlohnung, Arbeitsschutz)
      oder

      Immer um Kenntnisse zur Gestaltung der Betriebsratsarbeit handelt.

    In den übrigen Fällen muss der Betriebsrat einen aktuellen oder absehbaren betrieblichen Ansatz darlegen, aus dem sich der Schulungsbedarf ergibt. (BAG 15. Januar 1997)

    Erforderlich sind solche Kenntnisse, so weit sie den Betriebsrat befähigen seiner ihm angedachten Schutzfunktion gerecht zu werden. Er muss in die Lage versetzt werden, durch eine sachgerechte Ausübung seiner Beteiligungsrechte die Entscheidungsbefugnisse des Arbeitgebers im gesetzlich vorgesehenen Umfang zu binden.

    Auch die Teilnehmerzahl an der jeweiligen Schulung oder Fortbildungsveranstaltung richtet sich nach der Erforderlichkeit für die Betriebsratsarbeit. Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts, zum allgemeinen Arbeitsrecht und ein gewisser Standard an allgemeinen rechtlich wirtschaftlich und technischen Kenntnissen sind für alle Betriebsratsmitglieder erforderlich. Deshalb kann jedes Betriebsratsmitglied, das noch nicht über entsprechende Kenntnisse verfügt, diese Schulungen besuchen. Eine vertiefte Schulung zum BetrVG werden im allgemeinen der Vorsitzenden des Betriebsrats und sein Stellvertreter benötigen. Im übrigen folgt aus der Aufgabenteilung im Betriebsrat, welches Betriebsratsmitglied zur sachgerechten Wahrnehmung seiner Aufgaben besonderer Spezialkenntnisse benötigt.

    Die Entsendung von Ersatzmitgliedern zu Schulungsveranstaltungen kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn sie endgültig in den Betriebsrat nachgerückt sind. Ausnahmsweise ist dies anders, wenn sie häufig zur Stellvertretung herangezogen werden und die Teilnahme für die Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats erforderlich ist. (BAG 14. Dezember 1994)

    Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, die nicht Betriebsratsmitglieder sind, haben regelmäßig keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung. (BAG 11. November 1998)

    Die erforderliche Dauer einer Schulung lässt sich nur unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse beurteilen. Entscheidend sind der Wissensstand der Betriebsratsmitglieder, Umfang und Schwierigkeit der behandelten Themen und die Besonderheiten und Probleme des betroffenen Betriebes.

    Neben der Erforderlichkeit soll der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten sein, soweit es um die Dauer der Schulung und die Teilnehmeranzahl geht. Auch dieser Maßstab lässt wegen seiner Unbestimmtheit kaum praxisnahe Aussagen zu. Der Betriebsrat muss daher insoweit neben der Erforderlichkeit nach pflichtgemäßem Ermessen zusätzlich prüfen, ob die für die Schulung anfallenden Kosten mit der Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebes zu vereinbaren sind und nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung führen. (BAG 27. September 1974 und 8. Februar 1977)

    Der Betriebsrat ist jedoch nicht gehalten, an Hand einer umfassenderen Marktanalyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auszuwählen. Das heißt, der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, er sei nur zur Erstattung der Kosten einer gleichwertigen günstigeren Schulungsveranstaltung verpflichtet, wie sie etwa von einer Gewerkschaft oder einer von Arbeitgebern getragenen Bildungseinrichtung angeboten werden.

    Der Arbeitgeber ist nach § 40 BetrVG in Verbindung mit §37 Absatz 6 und § 65 Absatz 1 BetrVG zur Übernahme der entstehenden Kosten verpflichtet.

  • § 37 Abs. 7

    In § 37 Absatz 7 BetrVG ist der so genannte Bildungsurlaub für Betriebsräte geregelt. Die Möglichkeit der Fortbildung nach § 37 Abs. 7 BetrVG steht selbstständig neben dem Anspruch aus Absatz 6. Eine Anrechnung der Ansprüche aus Absatz 7 auf die Ansprüche aus Absatz 6 oder umgekehrt ist unzulässig. (BAG 5. April 1984)

    Soweit erforderliche Kenntnisse auf einer Veranstaltung nach Absatz 7 bereits vermittelt wurden, kommt eine Teilnahme an Veranstaltungen nach Absatz 6 nicht mehr in Betracht. Allerdings ist das Betriebsratsmitglied nicht verpflichtet, zunächst seinen Anspruch aus § 37 Abs. 7 BetrVG aufzubrauchen.

    Auch für einen Anspruch nach Absatz 7 ist es erforderlich, dass das Betriebsratsmitglied die zu erwartenden Kenntnisse noch in die Betriebsratsarbeit einbringen kann, was ausgeschlossen ist, wenn die Amtszeit des Betriebsrats nur wenige Tage nach der Schulung endet.

    Ersatzmitglieder, die noch nicht endgültig nach § 25 Absatz 1 BetrVG nachgerückt sind, haben keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung. Diese können allenfalls an Schulungen nach Absatz 6 teilnehmen. Sind sie endgültig nachgerückt, wird von einem anteiligen Anspruch ausgegangen, was unabhängig davon gilt, ob das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied seinen Anspruch schon voll ausgeschöpft hat.

    Im Gegensatz zu den Schulungen nach Absatz 6 muss nicht jeweils geprüft werden, ob die Veranstaltung erforderliche Kenntnisse vermittelt. Es reicht aus, wenn die oberste Landesbehörde die Veranstaltung als geeignet anerkannt hat.

    Veranstaltungen nach Absatz 7 sind geeignet, wenn sie im Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit stehen und von Inhalt und Zielsetzung her einen nennenswerten Vorteil für eine sach- und fachgerechte Erfüllung der im Gesetz vorgesehenen Betriebsratsaufgaben erwarten lassen. Die Eignung liegt stets vor, wenn die engen Voraussetzungen von Absatz 6 vorliegen.

    Hat die Thematik einen betriebsverfassungsrechtlichen Bezug und kann sie zur Aufgabenerfüllung dienlich und förderlich sein, ist die Veranstaltung geeignet, ohne dass es darauf ankäme, dass die vermittelten Kenntnisse für die konkrete Arbeit im einzelnen Betrieb benötigt werden.

    Freistellung

    Wenn eine Veranstaltung anhand dieser Kriterien als geeignet ermittelt wurde, ist zur Teilnahme an der Veranstaltung die Freistellung des Teilnehmers erforderlich.

    Der Anspruch aus Absatz 7 richtet sich auf bezahlte Freistellung für die Dauer von drei beziehungsweise vier Wochen.

    Bei der Freistellung zur Teilnahme an Schulungsveranstaltungen geht es einmal darum, wer teilnimmt (bei einer Veranstaltung nach Abs. 6), zum anderen wann er teilnimmt. Die Festlegung der zeitlichen Lage trifft stets der Betriebsrat, denn den Teilnehmer kann er nur für Veranstaltungen nach Absatz 6 bestimmen. Ohne den entsprechenden Beschluss des Betriebsrats ist ein Betriebsratsmitglied nicht berechtigt, Schulungsveranstaltungen zu besuchen.

    Lohnfortzahlung

    Bei der Frage nach dem Vergütungsanspruch des Betriebsratsmitglieds bei der Teilnahme an einer Schulung und Bildungsveranstaltung, gilt das Lohnausfallprinzip.

    Der Arbeitgeber muss das vereinbarte Arbeitsentgelt fortzahlen. Wurde das Betriebsratsmitglied vor der Schulung regelmäßig über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus zu weiteren Arbeitseinsätzen herangezogen, hat er während der Teilnahme an Betriebsratsschulungen, deren Dauer über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit nicht hinausgeht, das Entgelt auch für die ausgefallenen zusätzlichen Arbeitseinsätze zu zahlen. (BAG 3. Dezember 1997) Der Arbeitnehmer erhält so Mehrarbeitsvergütung, ohne während der Schulung tatsächlich mehr Arbeit zu leisten.

    Teilzeitbeschäftigten besteht so beim Besuch von Schulungen, die zeitlich über ihrer persönliche Arbeitszeit hinausgehen der Anspruch auf Freizeitausgleich oder Abgeltung zu. Der Ausgleichsanspruch ist jedoch in der Höhe begrenzt auf die konkrete Lage und Dauer der Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten. So wird verhindert, dass Teilzeitbeschäftigte besser da stehen als Vollzeitbeschäftigte.

    Bei der Festlegung der zeitlichen Lage hat der Betriebsrat die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Dies sind nicht nur allgemeine betriebliche Interessen oder Bedürfnisse, sondern betriebliche Gegebenheiten, die zwingend vorrangig gegenüber der Arbeitsbefreiung für Schulungszwecke haben. Lässt sich eine betriebliche Beeinträchtigung nicht umgehen, so hat die Fortbildungsveranstaltung Vorrang.

    Da der Anspruch aus Absatz 7 ein Individualanspruch des jeweiligen Betriebsratsmitglied ist, hat der Betriebsrat sich hierbei auf die Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme zu beschränken. Die Auswahl der als geeignet anerkannten Schulung hat er dem jeweiligen Mitglied zu überlassen.

    Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten nicht für ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle entsprechend § 76 Absatz 5 BetrVG anrufen. Streiten Arbeitgeber und Betriebsrat darüber, ob eine Schulungsveranstaltung erforderlich im Sinne von Absatz 6 oder aber nur geeignet ist, ist dieser Streit im Beschlussverfahren zu entscheiden, wobei das Betriebsratsmitglied Beteiligter des Beschlussverfahrens ist.

    Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber ein Beschlussverfahren über diese Frage anhängig gemacht hat, hat für das Betriebsratsmitglied kein einstweiliges Verbot der Teilnahme zur Folge. Allerdings kann das Betriebsratsmitglied durch eine einstweilige Verfügung sein Teilnahmerecht absichern.

§ 37 Abs. 6 BetrVG § 37 Abs. 7 BetrVG
Vermittlung erforderlicher Kenntnisse für die Arbeit als BR; Anerkennung nach § 37 VII nicht erforderlich Vermittlung geeigneter Kenntnisse, Anerkennung erforderlich
Umfang: je nach Erforderlichkeit Umfang: 3 (4) Wochen
Anspruch des Betriebsrats Anspruch des Betriebsratsmitglieds
Arbeitgeber muss gesamte Kosten der Schulung übernehmen (§ 40 BetrVG) Arbeitgeber muss keine Kosten übernehmen
Freistellungsanspruch nach Lohnausfallprinzip Freistellungsanspruch nach Lohnausfallprinzip
BR beschließt:
  • Teilnehmer
  • zeitliche Lage
  • Inhalt
  • Veranstaltung
BR beschließt:
  • zeitliche Lage

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