Hausverkauf unter Wert
Mehr zum Thema: Experteninterviews, Hausverkauf, Sittenwidrigkeit, Steuer, Wucher, Immobilie, WertSittenwidrigkeit, Schwarzkauf und Wucher - Gibt es Grenzen, die Käufer und Verkäufer einer Immobilie beachten müssen?
Die Versuchung ist innerhalb von Familien und unter Freunden sicherlich nicht gering - eine Immobilie unter Wert zu verkaufen. Geht das so einfach? Was müssen Käufer und Verkäufer dabei beachten und was droht den Parteien, wenn diese über das Ziel hinaus schießen? Sittenwidrigkeit, Steuer, Schwarzkauf, Wucher - Rechtsanwalt Dr. Andreas Neumann erklärt im Interview die wichtigsten Punkte zum Immobilienverkauf.
123recht.de: Herr Neumann, wir haben erfahren, dass Sie in der Zeitschrift für Immobilienrecht – ZfIR – kürzlich eine kritische Besprechung zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.03.2024 – Aktenzeichen V ZR 115/22 – bezüglich eines Immobilienkaufs veröffentlicht haben. Uns stellen sich einige Fragen zu den möglichen Problemen beim Verkauf von Immobilien. Jeder Verkäufer kann doch selbst entscheiden, für welchen Preis er sein Haus verkauft, oder nicht?
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Rechtsanwalt Neumann: Ich bedanke mich zunächst für die erneute Einladung zu einem Interview mit Ihnen zu einem meiner Schwerpunktbereiche.
In der Schweiz, wo die Privatautonomie höher gewichtet wird als in Deutschland - siehe dazu gerne meinen kleinen Artikel A German in Zurich auf Ihrem sehr geschätzten Portal - mag die Aussage richtig sein.
In Deutschland gibt es hingegen durch die Grundsätze der Sittenwidrigkeit und des Wuchers insoweit erhebliche Einschränkungen der Privatautonomie. Wenn man diese Einschränkungen missachtet, kann dies zur Unwirksamkeit eines Kaufs oder Verkaufs einer Immobilie führen.
Vorsicht vor der 90 % Regelung
123recht.de: Gibt es feste Grenzen, die man als Verkäufer und Käufer kennen sollte?
Rechtsanwalt Neumann: Tatsächlich ist genau das der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die durch Landgerichte und Oberlandesgerichte immer wieder bestätigt wird, gilt eine 90 % Regelung, in die eine wie auch in die andere Richtung.
123recht.de: Wie ist denn das zu verstehen, 90 % Regelung?
Rechtsanwalt Neumann: Verkauft jemand seine Immobilie, deren objektiver Verkehrswert 100.000 EUR beträgt, zum Preis von über 190.000,00 EUR, dann handelt es sich nach dem Bundesgerichtshof um Wucher. Umgekehrt wäre aber auch ein Verkauf dieser Immobilie zum Preis von 52.631 EUR oder weniger nach der 90 % Regelung als nichtig zu bewerten, und zwar wegen Sittenwidrigkeit, ohne dass es auf eine entsprechende Absicht des Käufers oder das Ausnutzen einer Notlage ankommen würde, siehe dazu gerne meinen Artikel Immobilienkauf und verwerfliche Gesinnung – Schwarzkauf, Arglist und Wucher auf dem Prüfstand - damit ist es im Prinzip ausgeschlossen, dass man wie auf dem Flohmarkt ein entsprechendes Schnäppchen machen könnte.
Verkäufe können angefochten werden
123recht.de: Das ist erstaunlich. Welche Gefahren drohen dabei, wenn der Preis weit unter Wert liegt?
Rechtsanwalt Neumann: Die Hauptgefahr ist, dass der Verkäufer seinen Verkauf bereut und in Ausnahme vom Grundsatz, dass so genannte Kaufreue eigentlich nicht relevant sei, den Kaufvertrag mit Erfolg anficht.
Der Verkäufer in einem von mir betreuten Fall am Landgericht Cottbus hat im Nachhinein den Verkauf eines kleinen Bahnhofs bereut und mithilfe der 90 % Regelung versucht, seine Immobilie, die er selbst sehr günstig von der Treuhand ersteigert hatte, zurückzubekommen.
Das Gericht tendierte dazu, ihm Recht zu geben, so dass ein Vergleich die günstigere Variante war als ein Zug durch die Instanzen mit ungewisser Aussicht darauf, die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ändern zu können… .
Schenkungen sollten immer im Notarvertrag festgehalten werden
123recht.de: Wie wäre es aber, wenn man einen Teil des Kaufpreises bewusst erlässt, etwa im Rahmen einer gemischten Schenkung? Können Sie den Begriff gemischte Schenkung einmal erklären? Würde das dann immer noch gegen die 90 % Regelung verstoßen?
Rechtsanwalt Neumann: Bei einer gemischten Schenkung ist der Rechtsgrund bezüglich eines ideellen Teils der Immobilie eine Schenkung. Das muss im Notarvertrag klar ausgewiesen werden, insbesondere aus steuerrechtlichen Gründen. Ob damit der mögliche Einwand einer Sittenwidrigkeit ausgeschlossen werden kann, muss allerdings im konkreten Einzelfall sorgsam geprüft werden.
123recht.de: Mit welcher Höhe der Schenkungsteuer muss der Käufer denn rechnen? Gibt es dort gerade bei Dritten irgendwelche Freibeträge?
Rechtsanwalt Neumann: Hierzu treffe ich in meinen Beratungen keine Aussage, weil es von vielen Faktoren abhängig ist, die lediglich eine Steuerberaterin oder ein Steuerberater zutreffend einschätzen kann. Das sehr vom Dritten Reich geprägte Steuerrecht schließe ich in meinen Mandatsbedingungen aus und gebe allenfalls allgemeine Hinweise im überschaubaren Einzelfall. Mir wäre ohne entsprechende Spezialisierung die Haftungsgefahr einfach zu groß.
Wertermittlung kann von Finanzamt zu Finanzamt unterschiedlich sein
123recht.de: Wie erfolgt denn die Wertermittlung einer Immobilie durch das Finanzamt?
Rechtsanwalt Neumann: Die konkrete Praxis kann von Finanzamt zu Finanzamt unterschiedlich sein. Vom Grundsatz her unterscheidet man aber grob drei Wertermittlungsmethoden, die Ertragswertmethode, die Vergleichswertmethode und die Sachwertmethode.
123recht.de: Treffen den Makler und Notar diesbezüglich Aufklärungspflichten?
Rechtsanwalt Neumann: Sowohl Maklerfirmen als auch die beurkundenden Notare lassen sich in der Regel von einer Haftung für die unbequemen steuerrechtlichen Fragen befreien. Grundsätzlich haftet man auch für eine fehlerhafte Auskunft, selbst wenn eine entsprechende Aufklärung gar nicht geschuldet gewesen wäre… daher ja auch meine Zurückhaltung.
123recht.de: Wie kann der Wert des Hauses legal gesenkt werden?
Rechtsanwalt Neumann: Man kann bei einem Immobilienverkauf in der Tat die steuerrechtliche Bemessung dadurch reduzieren, dass man einen auf mitverkaufte bewegliche Gegenstände entfallenden Anteil glaubhaft ausweist. Was inzwischen aber nicht mehr funktioniert, ist eine Reduktion der Steuern durch Mitbeurkundung der übergehenden Erhaltungsrücklage einer Eigentumswohnung, siehe dazu gerne meinen eingehenden Artikel Erhaltungsrücklage beim Immobilienkauf – Ende der Berücksichtigung bei der Grunderwerbsteuer .
123recht.de: Worauf sollte man zur Vermeidung einer nachträglichen Unwirksamkeit als Käufer oder Verkäufer noch achten?
Rechtsanwalt Neumann: Das Bargeldverbot wird immer rigoroser durchgesetzt. Notarinnen und Notare sind inzwischen verpflichtet, die Banküberweisungen im Rahmen einer Immobilientransaktion nachzuprüfen. Nach meiner Prognose wird daher auch die bisherige Rechtsprechung von einer Heilung des Schwarzkaufs durch Grundbucheintragung über kurz oder lang fallen, siehe dazu die eingangs erwähnte Urteilsbesprechung. Zudem sollten Verkäuferinnen und Verkäufer sehr sorgfältig über vorhandene Mängel aufklären und ihre Aufklärung dokumentieren, um eine nachträgliche Inanspruchnahme aus verdecktem Mangel auszuschließen.
123recht.de: Vielen Dank für Ihre Auskünfte.
Rechtsanwalt Neumann: Jederzeit gerne wieder.
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